Steigende Kraftstoffpreise führen zu einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen
Spritpreis als Tempolimit
In einem Gastbeitrag in der FAZ schreiben Sebastian Specht, Jan Wessel, Till Kösters und Thomas Hagedorn darüber, inwiefern der Benzinpreis die Geschwindigkeit auf der Autobahn reguliert. Sie sind oder waren Forscher am Institut für Verkehrswissenschaft der Universität Münster. Eine Analyse von Geschwindigkeitsdaten zeigt, dass die Durchschnittgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen sinkt, wenn Kraftstoffpreisen steigen. Und das, umso stärker, je höher die Kraftstoffpreise sind. Daraus folgt, dass Preise durchaus verhaltenswirksam sind und helfen können, den Krafstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß zu senken.
Die faszinierende Welt der deutschen Autobahn und ihre Geschwindigkeiten
In einer wissenschaftlichen Analyse wurde untersucht, wie sich Kraftstoffpreise auf das Fahrverhalten auf deutschen Autobahnen auswirken. Als eines der wenigen Länder weltweit verfügt Deutschland über Autobahnabschnitte ohne Tempolimit – ein Umstand, der sowohl Freiheit symbolisiert als auch Diskussionen auslöst. Besonders interessant ist die Situation in Nordrhein-Westfalen, wo etwa 30 Prozent aller deutschen Autobahnkilometer liegen. Trotz zahlreicher Baustellen und Staus sind dort bemerkenswerte 60 Prozent der Strecken ohne dauerhafte Geschwindigkeitsbegrenzung.
Die Forschung zeigt, dass verschiedene Faktoren die Fahrgeschwindigkeit beeinflussen. Während Wetter, Verkehr und Streckenbeschaffenheit außerhalb der Kontrolle der FahrerInnen liegen, können sie ihre Geschwindigkeit den Kraftstoffkosten anpassen. Dabei gilt: Je schneller man fährt, desto höher der Verbrauch – und zwar überproportional aufgrund des zunehmenden Luftwiderstands. Um die genauen Zusammenhänge zu erforschen, nutzten die Wissenschaftler die Daten von Induktionsschleifen unter der Fahrbahn, die kontinuierlich Geschwindigkeiten und Verkehrsaufkommen messen.
Steigende Spritpreise bremsen Autofahrer aus
Der Beobachtungszeitraum von 2017 bis 2023 zeigt interessante Zusammenhänge zwischen Kraftstoffpreisen und Fahrverhalten auf deutschen Autobahnen. Bei einem Preisanstieg von 30 Cent über dem Durchschnittspreis von 1,45 Euro reduzierten AutofahrerInnen ihre Geschwindigkeit – besonders deutlich auf Strecken ohne Tempolimit, wo die Durchschnittsgeschwindigkeit von 125 km/h um 1,2 km/h sank.
Noch deutlicher wurde dieser Effekt im Jahr 2022, als die Kraftstoffpreise infolge des Ukraine-Kriegs die Zwei-Euro-Marke überschritten. In dieser Phase führte ein weiterer Preisanstieg von 30 Cent zu einer noch stärkeren Reduzierung der Geschwindigkeit um etwa zwei Stundenkilometer auf freien Strecken. Diese scheinbar kleinen Verhaltensänderungen haben in der Summe beachtliche Auswirkungen: Allein auf den nordrhein-westfälischen Autobahnen führt die reduzierte Geschwindigkeit zu jährlichen Einsparungen von über 32 Millionen Litern Kraftstoff.
Höhere Spritpreise senken das Tempo bei langsameren FahrerInnen
Steigende Kraftstoffpreise haben messbare Auswirkungen auf die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen – allerdings nicht für alle Autofahrer gleichermaßen. Besonders Fahrer, die ohnehin langsamer unterwegs sind, passen ihr Tempo spürbar an, während schnellere Fahrer, die über 130 km/h fahren, kaum auf Preisänderungen reagieren. Ein ähnliches Muster zeigt sich zwischen den Spuren: Während Autofahrer auf der rechten Spur ihr Fahrverhalten anpassen, bleiben jene auf der linken Spur meist unbeirrt – oft, weil sie eine Tankkarte vom Arbeitgeber haben oder unter Zeitdruck stehen.
Eine geringere Geschwindigkeit bedeutet längere Fahrzeiten, senkt aber auch das Unfallrisiko. Aus der Reaktion der AutofahrerInnen lässt sich ableiten, wie viel ihnen eine kürzere Reisezeit wert ist. Im Schnitt wären sie bereit, 20,71 Euro zu zahlen, um eine Stunde schneller ans Ziel zu kommen. Diese Erkenntnis ist wichtig für die Planung von Infrastrukturprojekten, da sie eine realitätsnahe Grundlage für die wirtschaftliche Bewertung neuer Straßen oder Brücken liefert.
Benzinpreise beeinflussen das Verhalten
Die Analyse der Geschwindigkeitsdaten zeigt: Steigende Kraftstoffpreise führen zu einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen. Vor allem langsamere Fahrer reagieren empfindlich auf Preisänderungen, während schnellere FahrerInnen ihr Tempo kaum anpassen. Je höher die Spritpreise, desto stärker fällt die Anpassung aus. Diese Erkenntnis legt nahe, dass marktbasierte Maßnahmen wie eine CO2-Abgabe auf Kraftstoffe tatsächlich wirksam sein können. Sie könnten den Spritverbrauch senken, indem sie das Fahrverhalten beeinflussen.