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Spritpreise im Sinkflug: Erwartet uns ein günstiger Tanksommer?
Günstige Kraftstoffpreise – ein seltenes Vergnügen für Autofahrer
Autofahrer in der Schweiz reiben sich verwundert die Augen: In den letzten Wochen sind die Preise für Benzin und Diesel deutlich gesunken. Besonders in ländlichen Gebieten lassen sich derzeit erstaunlich niedrige Preise beobachten. Rund 1,70 Franken für Diesel und sogar nur 1,60 Franken für Bleifrei – Werte, die Autofahrende seit langem nicht mehr gesehen haben. In Deutschland sind die Dieselpreise teilweise sogar auf 1,50 Euro gefallen.
Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist der Rohölpreis, der sich aktuell auf dem niedrigsten Stand seit 2021 befindet. US-Präsident Donald Trump nahm dies kürzlich zum Anlass, sich bei der Verkündung des Handelsabkommens mit Großbritannien selbst zu loben. Doch die Wahrheit ist etwas komplexer: Der Preisverfall ist weniger das Ergebnis genialer Wirtschaftspolitik als vielmehr eine Folge des von Trump selbst ausgelösten Handelskrieges, insbesondere mit China. Die daraus resultierenden Rezessions- und Wachstumssorgen haben den Preis für Rohöl zeitweise unter die 60-Dollar-Marke gedrückt. Zusätzlich kündigte die OPEC an, ihre Fördermengen trotz weltweit schwächelnder Nachfrage zu erhöhen.
Ein komplexes Preisgefüge mit vielen Einflussfaktoren
Allerdings ist der Ölpreis nur ein Faktor in einem komplexen Preisgefüge. Michael Knobel, Betreiber der Etzelpark-Tankstellen, beschreibt die aktuelle Situation gegenüber STREETLIFE als „unglaubliches Yo-Yo“. Bei allen preisbestimmenden Faktoren herrsche derzeit eine Volatilität, wie er sie noch nie erlebt habe. Er zeigt sich skeptisch, wie nachhaltig die günstigen Preise an manchen Tankstellen tatsächlich sind. Nur Tankstellenbetreiber, die zum richtigen Zeitpunkt günstig einkaufen konnten, können jetzt längerfristig niedrigere Preise anbieten.
Ein wesentlicher Teil des Benzinpreises in der Schweiz besteht nicht aus Rohstoffkosten, sondern aus Steuern und Abgaben. Die Mineralölsteuer und diverse Importabgaben schlagen beim Benzin mit rund 77 Rappen pro Liter zu Buche. Bei Diesel sind es sogar etwa 80 Rappen – unter anderem wegen des höheren CO₂-Gehalts. Diese fixen Abgaben bleiben unabhängig vom Ölpreis konstant. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer auf den Gesamtpreis. Diese Steuerstruktur sorgt dafür, dass selbst deutliche Preisrückgänge beim Rohöl an der Zapfsäule nur gedämpft ankommen.
Auch der Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und US-Dollar spielt eine entscheidende Rolle, da Öl weltweit in Dollar gehandelt wird. Ein starker Franken kann die Importkosten senken. Trumps Handelskrieg hat den Dollar zeitweise erheblich geschwächt, was sich positiv an der Zapfsäule bemerkbar machte. Doch auch hier ist die Lage unbeständig: Aktuell erholt sich der Dollar wieder und scheint eine Aufwärtsdynamik zu entwickeln. „Alles ist möglich“, sagt Knobel. „Steigt der Dollar wieder auf 90 Rappen, treibt das natürlich auch die Benzinpreise in die Höhe.“ Währungsschwankungen wirken sich unmittelbar auf Transport- und Einkaufskosten aus.
Der Rhein als unterschätzter Preisfaktor
Ein weiterer, oft übersehener Faktor ist der Transportweg. Der Rhein spielt hier eine zentrale Rolle, da die Schweiz einen Großteil ihrer Treibstoffe über diesen Wasserweg bezieht. In den vergangenen Monaten hat der ungewöhnlich niedrige Wasserstand für Preisdruck gesorgt. Bei niedrigem Pegelstand können Tankschiffe nur mit stark reduzierter Ladung fahren, was zu mehr Fahrten und höheren Frachtkosten führt – mit entsprechend höheren Preisen pro Liter. „Lange Zeit ist der Vorteil des tiefen Rohölpreises durch den niedrigen Rheinwasserstand fast vollständig verpufft“, erklärt Knobel. Die derzeit günstigen Spritpreise sind also nicht nur dem Ölmarkt geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass sich die Transportbedingungen normalisiert haben.
Was bedeutet das alles für Autofahrerinnen und Autofahrer? Die aktuellen günstigen Preise an der Zapfsäule sollte man auf jeden Fall nutzen. Besonders Hausbesitzer mit Heizölbedarf können derzeit zu guten Konditionen einkaufen. Der schwache Dollar und die anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten lassen die Chancen für einen günstigen Tanksommer intakt erscheinen. Doch sicher ist in diesen volatilen Zeiten nichts, wie Knobel bestätigt: „Es ist alles enorm dynamisch. Wer weiß – nächste Woche kann schon wieder alles ganz anders aussehen.“